Wie unser Gehirn Hoffnung erzeugt, selbst in dunklen Momenten.
Warum die Welt besser wird, als wir denken.
Was wir tun müssen, damit das Morgen heller wird.
Multidisziplinär geprägt
Sumit Paul-Choudhury studierte Physik und arbeitete als Chefredakteur bei New Scientist.
Zukunftsdenker
Er beschäftigt sich intensiv mit Technologie, Kulturwandel und gesellschaftlicher Transformation.
Kommunikator
Seine Essays erscheinen in führenden Medien – er versteht es, komplexe Themen verständlich zu vermitteln.
PROLOG
Ein Plädoyer für Optimismus
Warum Optimist sein?
Zum Optimisten wurde ich in der Nacht, als meine Frau starb.
Die Menschen reagierten unterschiedlich auf ihre Diagnose: ein aggressiver, sich rasch ausbreitender Eierstockkrebs, entdeckt nach der Fehlgeburt, die unsere erste und einzige Schwangerschaft beendete. Manche ahnten, dass ihre Zukunft düster und kurz sein würde; diese Leute schwiegen oder blieben weg. Aber viele beteuerten, dass sich die Dinge schon irgendwie regeln würden – manchmal aus Aberglauben, manchmal aus dem Wunsch heraus, sie zu beruhigen, aber meistens einfach, weil sie sich keine andere Reaktion vorstellen konnten.
Kathryn ihrerseits bestand darauf, dass die Menschen um sie herum – ihre Familie, ihre Freundinnen, ihre Kollegen und ihre Ärzte – nur Hoffnung äußerten. Das galt natürlich vor allem für mich, aber ich wusste nicht, wie ich ihren Wünschen gerecht werden sollte. Einerseits neigte ich schon immer dazu, positiv zu denken, und ein Teil in mir glaubte, dass sich alles zum Guten wenden würde. Auf der anderen Seite war ich ein empirisch denkender Rationalist. Ich las die ärztlichen Bulletins und die wissenschaftliche Literatur und musste einsehen, dass Kathryns Chancen, noch länger als ein paar Jahre zu leben, verschwindend gering waren.
Letztendlich kam ich zu dem Schluss, dass nicht ich derjenige mit der unheilbaren Krankheit war, und dass ich deshalb meinen Mund halten und meine Frau auf die von ihr gewünschte Weise unterstützen sollte – während ich gegen jede Hoffnung auf ein statistisches Wunder hoffte.
Doch es geschah kein Wunder. Kathryns Krebs siegte binnen weniger als einem Jahr über die Abwehrkräfte ihres Körpers, und sie starb einen viel zu schnellen, elenden Tod.
Als es anschließend darum ging, mein eigenes Leben wieder aufzubauen, lautete der Rat, den man mir immer wieder gab: „einfach von Tag zu Tag schauen“. Keine langfristigen Pläne, keine bedeutenden Lebensveränderungen. Das fand ich unbefriedigend. Zwar wäre es hinsichtlich einiger Entscheidungen tatsächlich unklug gewesen, sie in meiner Trauer zu treffen, aber ich wollte nicht noch mehr Zeit in diesem Schwebezustand verbringen. Dabei half mir, dass Kathryn mir unmissverständlich gesagt hatte, ich solle nicht vom Weg abkommen, wenn sie nicht mehr da sei – wie schwierig es auch sein mochte, sie wollte, dass ich weiter nach vorne schaue.
Die meisten von uns gehen für gewöhnlich den Weg des geringsten Widerstands. Auf mich traf das jedenfalls zu: Obwohl ich nicht besonders mochte, wo ich lebte oder was ich beruflich tat, war es doch einigermaßen angenehm. Aber nachdem Kathryn gestorben war, war mein Zuhause nicht mehr mein Zuhause und meine Zukunft nicht mehr meine Zukunft. Ich will beileibe nicht einen Trauerfall empfehlen, um die Reset-Taste zu drücken, aber mir verschaffte er die Gelegenheit und die Motivation, mein Leben von Grund auf zu überdenken. Ich war dadurch gezwungen, alle Möglichkeiten zu erwägen, wie ich mein Leben neu gestalten könnte. Immerhin hatte ich noch Möglichkeiten.
Ich begann, verschiedene Lebensentwürfe auszuprobieren: den Einsiedler auf dem Land, den Großstadtmenschen, den ewigen Nomaden. Da ich keinen Grund hatte, zu Hause zu bleiben, verbrachte ich als lebenslanger Stadtmensch viel Zeit in der Wildnis und in den Wäldern, war tagsüber aber auch in Galerien und nachts auf Konzerten unterwegs – ständig auf der Suche nach Momenten des Entkommens, die es nur selten gab. Ich war schon immer so viel wie möglich gereist, aber bald fing ich an, Ziele von meiner Liste zu streichen. Und ich begann, zwei tägliche Blogs zu führen – einen für Freunde und einen für die Welt –, um mich selbst in die Zukunft zu schreiben: Trauer, Fantasien und Anfänge.
Einige Monate später fragte mich ein wohlmeinender Freund, ob ich noch Medikamente nähme. Es war mir nie in den Sinn gekommen, welche zu nehmen. Genauso wenig wie eine Therapie zu machen: Ich wurde sanft dazu gedrängt, habe mich aber auch sanft wieder davon entfernt. Ich schloss mich einer Selbsthilfegruppe für junge Witwer an, doch ich war nie der Typ, der in einen Verein eintreten wollte. Viele in meiner Situation achteten sehr auf Geburtstage, Jahrestage und Feiertage; nach dem ersten Jahr traf ich die schwierige Entscheidung, solchen Daten keine Beachtung mehr zu schenken. Ich wollte nicht, dass der Rest meines Lebens nach einem veralteten Zeitplan ablief.
Allmählich dämmerte mir, dass meine Vorgehensweise nicht ganz typisch war. Ich fragte mich, ob ich etwas verleugnete. Oder vielleicht einfach nur ein emotionsloser Grobian war. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass eines von beidem zutraf: Ich war während meiner Trauerphase keineswegs glücklich oder normal. Ich zweifelte nur nie daran – nicht einmal an meinen dunkelsten Tagen –, dass bessere Zeiten vor mir lagen, wenn ich nur darauf hinarbeitete. Zunächst ohne wirklich darüber nachzudenken und später ganz bewusst hegte ich die Vorstellung, die Zukunft werde hell sein, positiv. Irgendwann merkte ich, dass ich beschlossen hatte, mich als Optimisten zu betrachten.
Das war ein bisschen irritierend. Als studierter Wissenschaftler und durch meine Tätigkeit als Journalist war ich eigentlich ein ausgesprochen kritischer Denker, der auf harte Fakten und rationale Argumente setzte. Ich wusste zwar, dass ich dazu neigte, das Beste vom Leben zu erwarten, und man hatte mir das auch gesagt, aber ich dachte, das lag daran, dass ich zuvor tatsächlich ein ziemlich glückliches Leben geführt hatte. Das nach den Ereignissen des letzten Jahres immer noch zu erwarten, fühlte sich an, als hätte ich mich der Irrationalität hingegeben: Die Seite in mir, die glaubte, war dabei, über die Seite zu siegen, die rational dachte.
Ich hatte den Eindruck, dass Optimismus nichts weiter war als ein Glaube, und dass es grundsätzlich dumm und potenziell unverantwortlich war, diesem Optimismus Gewicht zu verleihen. Sich selbst als Optimisten zu bezeichnen, schien mir das Eingeständnis zu sein, dass man einfach nicht so genau über die Zukunft und ihre Herausforderungen nachdenken wollte. Aber was war die Alternative? Die übliche Verteidigung des Pessimismus lautet, dass ein Pessimist nie enttäuscht wird, sondern immer nur angenehm überrascht werden kann. Das schien mir eine unnötig defensive, fast feige Haltung zu sein. Und offen bekundeter „Realismus“ wirkte wie zögerliche Unentschlossenheit – eine zynische Ausrede, um sich gar nicht erst mit der Möglichkeit auseinandersetzen zu müssen, dass die Welt besser sein könnte, als sie es heute ist.
Ich konnte nicht erkennen, wie eine dieser Weltanschauungen einen durchs Leben bringen sollte. Warum sollte man sich dann überhaupt die Mühe machen, morgens aufzustehen?
Als ich jedoch eingehender darüber nachdachte, schien mir Optimismus die einzige Haltung zu sein, die einzunehmen sich lohnte. Wenn man mehr vom Leben erwartete, konnte man auch mehr vom Leben haben – so schien es zumindest. Aber wenn ich schon Optimist sein wollte – und ich hatte offenbar kaum eine andere Wahl –, dann wollte ich eine Art von Optimismus praktizieren, den ich guten Gewissens vertreten konnte. Der mehr war als nur Glaube. Ich wollte eine Möglichkeit finden, Optimist zu sein, die tatsächlich dazu beiträgt, die Welt besser zu machen, anstatt nur davon auszugehen, dass sie es irgendwie schon sein würde.
Also begann ich danach zu fragen, welche Form diese pragmatische, gut begründete Version des Optimismus tatsächlich annehmen könnte. Dabei stellte ich fest, dass Optimismus – entgegen meinen früheren Annahmen – nicht unbedingt Ausfluss von Naivität ist. Er ist kein Luxus, den wir uns nur leisten können, wenn die Zeiten gut sind. Er ist eine Ressource, die wir anzapfen können, wenn es hart auf hart kommt – und dann kann er den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen.
Optimismus
Warum positives Denken mehr ist als Selbsttäuschung.
Zukunft
Wie Hoffnung zur Strategie wird, nicht zur Flucht.
Handlungsfähigkeit
Welche Rolle mentale Modelle für unser Tun spielen.
Wodurch entsteht unsere Zuversicht – und wovon hängt sie wirklich ab?
Können wir unsere Zukunft beeinflussen, selbst wenn wir sie nicht vorhersagen können?Wie kann man Hoffnung von Illusion unterscheiden?
Ist der sogenannte "Realismus" oft nur verkappter Pessimismus?
Was verlieren wir, wenn wir aufhören zu glauben, dass es besser werden kann?
PERSÖNLICH
Umgang mit Verlust und Trauer
Selbstwirksamkeit stärken in Krisen
Perspektivwechsel in schwierigen Lebensphasen
BERUFLICH
Führung mit Optimismus in unsicheren Zeiten
Motivation in Veränderungsprozessen
Innovationsdenken trotz Widerständen
GESELLSCHAFTLICH
Umgang mit globalen Krisen
Demokratische Resilienz stärken
Polarisierung überwinden durch gemeinsame Zukunftsbilder