Als Staatsanwältin, die sich in den verborgenen Ecken des Internets bewegt, zeigt Ringwald eindrucksvoll, wie die digitalen Verbrechen unserer Zeit die Grenzen des Rechtsstaats herausfordern.
Ringwald zeigt, dass traditionelle Methoden der Strafverfolgung im digitalen Zeitalter oft unzureichend sind. Die Komplexität der Fälle und die Geschwindigkeit, mit der sich die Technologie entwickelt, erfordern innovative und flexible Ansätze.
In der digitalen Strafverfolgung ist ein enges Zusammenspiel zwischen Juristen, IT-Experten und Ermittlern unerlässlich. Ringwald betont, dass ohne diese multidisziplinäre Zusammenarbeit erfolgreiche Ermittlungen kaum möglich wären.
Ringwald diskutiert die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit in der digitalen Welt. Sie argumentiert, dass die Strafverfolgung sich immer am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientieren muss, um die Bürgerrechte zu schützen.
"Die zehn Bücher, die es in diesem Jahr in die engere Auswahl geschafft haben, greifen weltbewegende Themen im Kleinen wie im Großen auf, beschreiben die globalen Probleme und Krisen, versuchen sich aber auch an Lösungen und dem Blick auf die großen Chancen, die sich der Menschheit bieten."
Handelsblatt - 16.08.2024
Zur Nominierung
Cybercrime ist die qualitativ beste Fortbildung für Ermittler und Strafverfolger. Die Cyber-Täter arbeiten gründlicher und konsequenter als alle anderen. Jede Eventualität muss von Anfang an mitgedacht werden. Wir lernen dadurch täglich, unsere Cyber-Resilienz zu stärken, indem wir den Worst Case mitdenken und uns das Schlimmste vorstellen. Der berühmte SolarWinds-Hack hielt uns lange in Atem – perfide, gut geplant und durchgeführt. Cyberkriminelle sind den Ermittlern oft einen Schritt voraus. In der Aufklärung schließen wir die Lücke, was die modernen Schufte wieder antreibt, noch besser zu werden. Das ist digitaler Fortschritt auf höchstem Level. Wir sollten Cybercrime als Lernkultur begreifen.
Dezember 2020, wenige Tage vor Heiligabend
Das Erste, was ich abends von den Ermittlern erhielt, war ein Link. Er führte zu einer Publikation der Firma FireEye, einem US-amerikanischen Unternehmen, das Software zur Erkennung von Cyberangriffen entwickelt hatte.
„We have detected a global intrusion campaign“, waren die einleitenden Worte des Berichts. Unbekannten Tätern war es gelungen, eine sogenannte „Supply-Chain-Attacke“ in einer Software der Firma SolarWinds durchzuführen.
Unternehmen nicht direkt, sondern über ihre digitale Lieferkette anzugreifen, ist ein Mittel, um mit nur einer Infiltration eine große Anzahl Betroffener zu erreichen. Ich hatte zuvor von dieser Art der Cyberattacke gelesen, einen Fall dazu jedoch noch nicht auf dem Tisch gehabt. Ein erschreckend schlichter, fast schon naheliegender Ansatz, um mit relativ wenig Aufwand großen Schaden anzurichten.
Der Arbeitstag war lange vorbei. Ich ließ mich in Sportklamotten auf die Couch fallen und las weiter.
Die unbekannten Täter hatten lange Zeit unerkannt in den sogenannten Build-Prozess einer Software eingegriffen, die Firmen und Behörden weltweit nutzen, um ihre Netzwerkperformance zu überwachen, ihre IP-Adressen zu managen und die firmeneigenen Lagersysteme zu monitoren. Sie bauten eine Art Hintertür in die Software ein, um einen empfohlenen Standardprozess auszunutzen. Entsprechend der Herstellerempfehlung nahmen Tausende Kunden von SolarWinds regelmäßige Updates der Software vor. Dank der eingebauten Hintertür erhielten die Täter mit jedem dieser Updates Zugriff auf die IT-Systeme der Nutzer der Software. Weltweit waren das rund 18.000.
Die Liste der prominenten Opfer des wohl spektakulärsten Hackingangriffs des Jahres 2020 war lang. Erst drehte sich vieles um das IT-Sicherheitsunternehmen FireEye, das über eines der kompromittierten Updates der SolarWinds-Software Orion selbst zum Opfer des Angriffs geworden war. Doch dann wurde publik, dass sich neben weiteren US-Behörden auch das US-amerikanische Finanzministerium und Teile des Pentagons die raffinierte Spionagesoftware eingefangen hatten. Selbst das US-Energieministerium mitsamt seiner untergeordneten National Nuclear Security Administration (NNSA) wurde als betroffen gemeldet. Die NNSA verwaltet das Atomwaffenarsenal der USA.
Kurz nach der Übersendung des Links baten mich die Ermittler um ein Gespräch per Videoschalte. Meine Ankündigung, so auszusehen wie eine, die gerade vom Joggen nach Hause kam, wurde gekontert mit der Bemerkung: „Wir haben uns auch nicht für dich schick gemacht, Jana.“ Wenn Weihnachten auf dem Spiel steht, hilft vertrauter Galgenhumor. Zwei ebenso vertraute Gesichter erschienen auf dem Bildschirm, um mit Frau Staatsanwältin zu sprechen.
„Hast du den Bericht von FireEye gelesen?“
„Ja.“
„Gut. Hast du Fragen?“
Gute Cyberermittler preschen nicht vor, sondern achten darauf, dass die Juristin an Bord auch mitkommt auf der digitalen Nachtfahrt. An dieser Stelle hatte ich erst einmal keine Fragen.
„Nein.“
„Gut. Wir müssen davon ausgehen, dass auch jede Menge deutsche Kunden von SolarWinds die verseuchte Software nutzen und sich den Mist über das letzte Update eingefangen haben. Es könnten ein paar Hundert sein. Kann alles dabei sein. Firmen, Behörden, Institute. Orion nutzen echt viele.“
VORAB
PROLOG
KAPITEL 1
Ein Schuft ist ein Schuft ist ein Schuft
KAPITEL 2
Kick-off: Drogenhandel im Darknet
KAPITEL 3
Schon verrückt, was wir da vorhaben!
KAPITEL 4
Hinter allen Cybertaten stehen viele Täterdaten
KAPITEL 5
Remote heißt das neue Zauberwort
KAPITEL 6
Das Leben auf einem viel zu kleinen Tisch
KAPITEL 7
In jedem Täter könnte auch ein guter Angeklagter stecken
KAPITEL 8
Wenn die Lösung das Problem ist oder der blinde Fleck in der Schuldfrage
KAPITEL 9
Fehler sind unser gemeinsamer Nenner
KAPITEL 10
Räuber und Gendarm war gestern
KAPITEL 11
Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser!
KAPITEL 12
Mit dem Kamel durchs Nadelöhr
KAPITEL 13
The winner takes it all
KAPITEL 14
Immer zu spät dran oder das Dilemma der Staatsanwälte
PLÄDOYER
Menschendenken
ÜBER DIE AUTORIN
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